Abgrenzung des Naturschutzgebietes „Hurn“ N 2.1-3
Stellungnahme des Initiativkreises Ortsumgehung Istrup
Der Entwurf des Landschaftsplanes „Blomberg“ sieht vor, das Waldgebiet „Hurn“ im Norden von Istrup in den Grenzen der FFH-Gebietsmeldung ( Natura 2000-Nr. DE-4021-303 „Wälder bei Blomberg“) als Naturschutzgebiet auszuweisen.
Die an die Europäische Union gemeldete FFH-Gebietsgrenze des Hurn nördlich des Siedlungsrandes von Istrup ist das Ergebnis einer Intervention der Stadt Blomberg, des Kreises Lippe und des Regionalrates bei der Bezirksregierung Detmold.
Diese zielte darauf ab, Konflikte zwischen der seit Jahren geplanten ortsnahen Nordumgehung von Istrup (B 1n/ Vorplanungslinie) und einer FFH-Schutzgebietsausweisung der dafür benötigten Waldfläche zu vermeiden. Eine entsprechende Dokumentation liegt vor.
So beinhaltete die FFH-Gebietsgrenze zu Beginn des FFH-Meldeverfahrens bekanntlich zusätzlich einen dem Buchenaltholzbestand in Südwesthanglage vorgelagerten Streifen von Buchenjungwuchs, Mischbestand und Fichten. Die von Straßen.NRW favorisierte Vorplanungslinie der B 1n, eine von insgesamt sieben verschiedenen Trassenalternativen im Norden und Süden von Istrup, würde diese Waldfläche queren.
Dass die Herausnahme dieses Waldstreifens aus der ursprünglichen FFH-Gebietskulisse naturschutzfachlich nicht begründet war, steht für uns außer Frage.
Naturschutzfachliche Argumente waren auch zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Argumentation. Eine Abwägung zwischen einer naturschutzfachlich erforderlichen Gebietsmeldung und entgegenstehenden straßenplanerischen Belangen durfte nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes jedoch nicht stattfinden. Die von sachfremden Kriterien geleitete Ermessensausübung bei der FFH-Gebietsabgrenzung wird zu gegebener Zeit im Rahmen des Gerichtsverfahrens gegen das Straßenbauvorhaben auch justiziabel sein.
Wir fordern, nun wenigstens bei der Abgrenzung des Naturschutzgebietes „Hurn“ ausschließlich naturschutzfachliche Kriterien zugrunde zu legen.
Die Ausweisung als Naturschutzgebiet kann unabhängig vom FFH-Status eines Gebietes erfolgen, die Grenzen eines Naturschutzgebietes können über die Grenzen des FFH-Gebietes hinausgehen.
Bei dem Waldbereich am nördlichen Ortsrand von Istrup handelt es sich um Buchenmischwald mit Nadelhölzern sowie um Fichtenwald auf Buchenwaldstandort. Dieser derzeit von Fichten (mittleres Baumholz) dominierte Waldbereich in südexponierter Hanglage des Eggeberges sollte aus folgenden Gründen in das zukünftige Naturschutzgebiet „Hurn“ einbezogen werden (bzw. hätte aus folgenden Gründen innerhalb der FFH-Gebietskulisse „Hurn“ verbleiben müssen):
- Der Waldstandort bietet aufgrund der abiotischen Bedingungen (Geologie/Boden, Wasserhaushalt, Klima) u.a. aufgrund des Alters des Fichtenbestandes (die Hiebreife wird in absehbarer Zeit erreicht sein) ein hohes Entwicklungspotential zum Buchenwald, was dem Schutzziel „Erhaltung und Entwicklung großflächig-zusammenhängender, naturnaher Hainsimsen-Buchenwälder und basenreicher, meist kraut- und geophytenreicher Waldmeister-Buchenwälder …“ des FFH-Meldebogens entspricht.
- Der südliche Randbereich des Waldgebietes Hurn erfüllt – trotz Fichtenbestockung – entlang des angrenzenden Weges eine Waldrandfunktion und ist so-mit dem zusammenhängenden Waldgebiet zuzuordnen. Der Waldrand mit aufkommenden Pionierbaumarten wie Eberesche sowie stellenweise mit lichterem Buchenmischwald weist schon heute (vor der Umwandlung in Laubwald) eine artenreiche Avifauna auf. Die südexponierte Lage bedingt zudem eine hohe Bedeutung für Insekten, wie z.B. für Schmetterlinge, sowie für Kriechtiere.
- Auch in seiner derzeitigen fichtendominierten Ausprägung besitzt der Waldbereich eine deutliche Pufferfunktion für den nördlich angrenzenden Buchenwald und die darin vorkommenden geschützten Vogelarten gegenüber siedlungsbedingten und klimatischen (Windbruch/Sonnenbrand) Störungen. Entsprechende Waldstandorte in einem ähnlichen oder geringeren Entwicklungsstadium wurden sowohl im Randbereich des Hurn als auch in anderen FFH-Gebieten in die Gebietskulisse einbezogen bzw. in der Gebietskulisse belassen. Auf die Bedeutung von Pufferflächen – selbst wenn diese die naturschutzfachlichen Ansprüche gemäß der Richtlinie selbst nicht oder noch nicht hundertprozentig erfüllen- wurde auch in der Stellungnahme der höheren Landschaftsbehörde bei der Bezirksregierung Detmold zu häufig vorgetragenen grundsätzlichen Einwendungen im Rahmen des FFH- Anhörungsverfahrens (Punkt A- 06) explizit hingewiesen. Selbst intensiv bewirtschaftete Acker- und Grünlandflächen oder reine Nadelholzforste werden hier beispielhaft genannt.
- Der am Südhang stockende Wald ist für die Erhaltung der Lebensräume der im Hurn nachgewiesenen Arten der EU-Vogelschutzrichtlinie Schwarzspecht und Rotmilan von Bedeutung. Bei der Ausgrenzung des südlichen Waldbereiches des Hurn aus dem Naturschutzgebiet bzw. FFH-Gebiet kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Lebensräume dieser Arten verkleinert werden (Verringerung des Nahrungsangebotes für den Schwarzspecht durch Verlust an Totholz mit totholzbewohnenden Ameisen und Käfern, Verringerung der Auswahl an geeigneten Horstbäumen für den Rotmilan durch Verkleinerung des zusammenhängenden Waldbereiches an den vom Rotmilan für den Horstbau aufgrund der Thermik bevorzugten südexponierten Hängen). Im Rahmen einer fachkundig begleiteten Erstbegehung des betreffenden Waldstreifens zur Vorbereitung einer Flora- und Faunauntersuchung ergab sich hier ein Brutverdacht für den Rotmilan. Zum Nachweis der auch aus tierökologischer Sicht hohen Bedeutung des bisher von der geplanten Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet ausgenommenen Geländeabschnittes wurde eine faunistische Untersuchung auf Vorkommen ausgewählter Tierarten in dem betreffenden Gebiet durchgeführt. Das Gutachten weist nach, dass der zur Diskussion stehende Waldabschnitt von schützenswerten Arten der FFH-Richtlinie bzw. Roten Liste als Brut- und Nahrungshabitat genutzt wird, was unseres Erachtens eine Einbeziehung in die Gebietskulisse des künftigen Naturschutzgebietes zwingend erforderlich macht.
- Mit Steinbruch und Bachtal weist der Waldbereich eine beachtliche Standortvielfalt auf: neben Waldbereichen kommen karge Felsstandorte sowie sump-fig-nasse Bereiche mit der typischen Flora und Fauna vor.
- Der Hurn ist auch hydrologisch betrachtet ein Gesamtkomplex, der insgesamt naturschutzgebietswürdig ist. Die Aussparung der betreffenden Teilfläche in Südwesthanglage ( mit dem Ziel, eine geplante Abgrabung nicht durch eine derartige Schutzgebietsausweisung zu komplizieren ) ist für die dortige Biozönose insgesamt schädlich und in Bezug auf die für den Hurn formulierten Erhaltungs- und Entwicklungsziele kontraproduktiv .
- Das fragliche Waldstück sollte auch im Interesse einer vor Ort klar erkennbaren Gebietsabgrenzung in das Naturschutzgebiet einbezogen werden. Teilweise strafbewehrte Verhaltensregeln für den Aufenthalt in Naturschutzgebieten können gegenüber der Bevölkerung nur dann eingefordert und gegebenenfalls auch durchgesetzt werden, wenn die Naturschutzgebietsgrenzen für den Bürger vor Ort auch erkennbar sind. Dies ist bei Ihrer Abgrenzungsvariante nicht der Fall. Bereits in ihrem derzeitigen Entwicklungsstadium lässt die Vegetation vor Ort aufgrund des fließenden Überganges der Entwicklungsstadien eine eindeutige Standortbestimmung (noch in oder schon außerhalb des Naturschutzgebietes?) nicht zu.
- Als Grundlage für die Auswahl der FFH-Gebiete diente seinerzeit das Biotopkataster der LÖBF. Als Objekt-Nr. BK-4020-048 wird „Der Hurn nördlich Istrup“ – inklusive des südlichen derzeit fichtendominierten Waldbereiches und inklusive Steinbruch – als Gebiet mit besonderer Wertigkeit für den Biotop- und Artenschutz geführt. Das Biotopkataster der LÖBF dient als Basis für den Schutz der wildwachsenden Pflanzen und wildlebenden Tiere in ihren Lebensräumen und Lebensgemeinschaften, so dass ihr Vorkommen auf Dauer gesichert ist. Nach wissenschaftlichen Kriterien sind im Biotopkataster solche Flächen erfasst und beschrieben worden, die für den Biotop- und Artenschutz eine besondere Bedeutung und eine daraus resultierende Schutzwürdigkeit im jeweiligen Naturraum haben. Die letzte Begehung des Hurn im Rahmen der Fortschreibung der Biotopkartierung NRW erfolgte am 07.09.1999; der Hurn in seiner ursprünglichen Abgrenzung wird demnach weiterhin als Gebiet von „internationaler Bedeutung“ bewertet, und es wird der Schutzstatus NSG vorgeschlagen. Seit der letzten Bewertung des Gebietes durch die LÖBF (1999) sind keine tiefgreifenden Veränderungen im südlichen Randbereich des Hurn erfolgt, so dass eine geringere Bewertung dieses Bereiches zum heutigen Zeitpunkt aus Sicht des Arten- und Biotopschutzes nicht nachvollziehbar ist.
Das Planungsverfahren zur Ortsumgehung Istrup/ B 1n befindet sich immer noch im Stadium der Linienbestimmung. Neben der von Straßen.NRW favorisierten ortsnahen Nordumgehung, um derentwillen die FFH Gebietsgrenze zurückgenommen wurde, stehen als Alternative weitere Trassenvarianten zur Verfügung. Die Stadt Blomberg hat sich bisher für keine der Trassenvarianten entschieden. Als Folge massiver Proteste der Istruper Bevölkerung gegen eine ortsnahe Nordumgehung, die sich bis in das Jahr 1982 zurückverfolgen lassen und heute nicht minder aktuell sind, wurde den Bürgern von Istrup jedoch ein Mitspracherecht bei der Trassenauswahl in Form eine systematischen Bürgerbefragung zugesichert. Ob sich die Istruper Bevölkerung mehrheitlich überhaupt für eine Ortsumgehung aussprechen wird und welche Trassenvariante sie gegebenenfalls favorisieren würde, vermag heute niemand zu beurteilen. Als Zwischenergebnis eines eigens zu dieser Frage von der Stadt Blomberg eingerichteten und finanzierten „Runden Tisches“, einer Unterschriftensammlung des Initiativkreises Ortsumgehung Istrup, sowie einer Entscheidung des Dorfausschusses Istrup kann jedoch festgehalten werden, dass eine ortsnahe Trassenvariante – sei es im Süden oder Norden von Istrup- von der Bevölkerung nicht gewünscht wird.
Sowohl der Wunsch, in dem betreffenden Waldabschnitt eine B 1n Trasse zu bauen, als auch die Chance, eine solche Planung gegen alle Widerstände auch Realität werden zu lassen, sind gegenwärtig eher vage. Vor diesem Hintergrund halten wir es für unvertretbar, der Kernzone eines FFH-Gebietes in Südwesthanglage eine durch den Status „Naturschutzgebiet“ ausreichend geschützte Pufferzone versagen zu wollen.