Ortsumgehung Istrup:
Anwohner wehren sich gegen eine Trasse am Rande des Hurns Blomberg-Istrup (sb).
An einem sonnigen Sonntagvormittag ist die „Flaniermeile von Istrup“, wie Brigitte Maletzky den Spazierweg unterhalb des Waldgebietes „Hurn“ liebevoll nennt, gut besucht. Eltern mit ihren kleinen Kindern, Senioren, Hundebesitzer – sie alle lassen die Natur auf sich wirken: Das Laub bringt bunte Farbtupfer auf den schmalen Weg zwischen Fichtenwald und Friedhof. Idylle, wohin das Auge blickt. Johannes Kalhoff zieht ein DIN-A4-Blatt mit einer Fotomontage aus der Tasche: „Und so könnte es 2015 aussehen.“ Das Laub ist einer dreispurigen Straße gewichen, die den Verkehr unmittelbar am Friedhof vorbeiführt. Ein Szenario, das der „Initiativkreis Ortsumgehung Istrup“ verhindern will. Im Vorfeld der Bürgerversammlung zur Ortsumgehung in der kommenden Woche will der Initiativkreis die Bürger noch einmal wachrütteln. Zwar hatten im Jahre 1998 gut 450 Istruper gegen die „ortsnahe Nordvariante“ unterschrieben. Doch inzwischen ist das Thema offensichtlich nicht mehr in allem Köpfen präsent. Und das, obwohl jene Nordtrasse in leicht modifizierter Form weiterhin Favorit der Straßenplaner ist – in unmittelbarer Nähe zu den Wohnhäusern und einem schützenswerten FFH-Gebiet. Das führt naturgemäß zu Konflikten mit den Anwohnern. Doch Johannes Kalhoff und Brigitte und Michael Maletzky als Sprecher des Initiativkreises legen Wert darauf, dass sich ihr Protest nicht nur um die persönliche Betroffenheit dreht. Für ganz Istrup sehen sie verheerende Folgen, wenn die Nordtrasse realisiert wird. „Ein hohes Umweltrisiko“ Johannes Kalhoff Da ist zum einen der Umwelt- und Naturschutz. Ein vom Initiativkreis in Auftrag gegebenes Gutachten beweist, dass just an dem Südwesthang, durch den die neue Straße führen soll, verschiedene Fledermausarten vorkommen und ein bebrüteter Rotmilan-Horst entdeckt wurde. Insofern sei die Umweltverträglichkeitsstudie der Landesstraßenbehörde ungenügend und müsse dringend nachgebessert werden. Johannes Kalhoff: „Auch das Bundesamt für Naturschutz sieht ein sehr hohes Umweltrisiko, ebenso die Naturschutzverbände.“ Des weiteren fürchtet der Initiativkreis starke optische Beeinträchtigungen und Probleme mit dem Lärmschutz. Michael Maletzky: „Eine Nordtrasse, die zur Hälfte auf Dämmen und Brücken errichtet wird, verschandelt den Ort.“ Auch das Entwässerungsproblem sei bislang nicht beachtet worden. Riesige Rückhaltebecken seien vonnöten, um das Regenwasser aus dem Waldgebiet aufzufangen, glaubt die Initiative. Ganz zu schweigen von dem Wasserhaushalt des Waldes, der durch ein Straßenprojekt massiv beeinträchtigt würde – und mit ihm die Flora und Fauna. Auch das Verkehrskonzept Ost-Lippe sieht der Initiativkreis kritisch. Brigitte Maletzky: „Wenn man bedenkt, dass die Strecke von Barntrup nach Bad Meinberg damit um ein Drittel länger wird, aber nur unwesentlich schneller, ist es fraglich, ob der Autofahrer das akzepiert.“ Eine Entlastung der Anwohner der derzeitigen Ortsdurchfahrt ist nicht zu leugnen. Doch die Verbannung des überörtlichen Verkehrs habe auch Nachteile – vor allem für die Geschäftsleute und Gaststätten an der alten Strecke. Das würden auch die Blomberger nach der Umsetzung des Ost-Lippe-Konzeptes zu spüren bekommen. Ist die Ortsumgehung also unterm Strich überhaupt sinnvoll? „Darauf haben auch wir noch keine einhellige Antwort“, gibt Brigitte Maletzky zu. So gibt es inzwischen auch Stimmen, die sich generell gegen eine Umgehungsstraße aussprechen. Angesichts einer Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums, die bis 2015 von sinkenden Fahrzeugzahlen ausgeht, sei das 12-Millionen-Euro-Projekt Geldverschwendung, argumentieren die Gegner. Doch die Zahlen seien falsch, das Kfz-Aufkommen werde weiter steigen, glaubt das Landesstraßenbauamt. „Klar ist: Wir fordern den Verzicht auf die ortsnahe Nordvariante“, betont Brigitte Maletzky. Sie erinnert daran, dass die Nähe zum Ort – egal, ob im Norden oder im Süden – Hauptkritikpunkt des Istruper Runden Tisches zur Ortsumgehung gewesen sei. Und wenn die ortsferne Trasse im Norden auf Grund des FFH-Gebietes nicht machbar sei, müssten die Südvariante oder eine ganz neue Trassenplanung in Erwägung gezogen werden. „Wir werden Recht bekommen“ Brigitte Maletzky Und wenn all die Einwände nichts nützen und die Stadt sich doch für die ortsnahe Nordvariante entscheidet? Dann werde man klagen: „Wenn es sein muss durch alle Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof. Und wir werden Recht bekommen“, ist Brigitte Maletzky überzeugt.
Lippische Landeszeitung vom 05.11.2003